FEBRUARY 28 - MARCH 17

Diese 17 Tage im Himalaya waren die härtesten Tage überhaupt, aber die beste Erfahrung, die ich machen durfte.

Wir wussten nicht, was uns erwarten würde, wie sehr wir an unsere Grenzen stoßen würden, wir wussten nicht, was für ein Wetter dort oben herrschen wird, wir hatten keine Erfahrung und keinen Guide oder Porter.

Wir, 5 junge Leute aus den unterschiedlichsten Ländern haben uns in Pokhara, der zweitgrößten Stadt in Nepal, zusammengefunden, um den Wanderweg um die Annapurna-Gebirgskette zu wagen. Mit dabei waren Keys (Florida, USA), Frej und Felix (Schweden) und Eveline (Belgien). Geplant hatten wir 20 Tage für die 210km. Ausrüstung konnten wir uns in Pokhara kaufen/leihen. Meinen Rückflug habe ich verschoben, da ich mich so in Nepal verliebt hatte, dass die geplanten 2 Wochen nicht reichten. Bevor wir die Wanderung antraten, erkundigten wir uns nach der Wetterlage, da uns aber keiner genau sagen konnte, wie das Wetter oben sein würde, statteten wir uns trotzdem mit Mütze, Schal, Handschuhen, Regenhosen usw. aus. März ist einer der besten Monate um den Rundweg zu gehen. Wir wussten, was für ein schlimmes Unglück letzten Oktober passiert ist, bei dem viele Wanderer ihr Leben lassen mussten (mehr dazu gibts hier). Aber wir sagen uns auch, wir riskieren nichts.

(Ihr könnt die Route auf dem Foto verfolgen)

TAG 1

Ngadi – Bahundanda:

Der erste kleine Walk brachte uns die Erkenntniss: wir haben alle keine Ausdauer.

TAG 2

Bahundanda – Shrichaur:

Dieser Tag brachte uns viel Regen, das heißt: neuer Schnee in höheren Lagen. Uns wurde von Gasthausbesitzern gesagt, dass der Thorung La Pass (der höchste Punkt der Route) gesperrt sei und man mindestens 3-4 Wochen warten muss, bis dieser wieder öffnet. Schuld an der Sperrung seien die heftigen Schneefälle, die seit 20 Jahren nicht mehr so extrem waren. Wir wollten es aber trotzdem so weit schaffen, wie es nur geht. Vielleicht würden wir ja Glück haben und der Pass öffnet in ein bis zwei Wochen. Wenn nicht, dachten wir uns, nehmen wir den Jeep zurück nach Pokhara.

TAG 3

Shrichaur – Chamje :

Wieder ein Tag im Regen. Unsere Schuhe, Klamotten, Rucksäcke waren komplett durchnässt. Es war durch die hohe Luftfeuchtigkeit auch schwierig bzw. unmöglich diese dann wieder zu trocknen.

TAG 4

Chamje – Dharapani :

Jeder Tag beginnt mit einem Bananen Porridge, Masala Tee oder heißem Ingwer-Zitrone-Honig-Tee. Frühstück und Abendessen bekommt man in den sogenannten Lodges (Gasthäusern) in denen man auch schlafen kann. Meistens haben wir den Schlafplatz umsonst bekommen, weil wir zu 5.waren und Abendessen und Frühstück dort schon bezahlt haben.

TAG 5

Dharaphani – Temang :

Es wurde kälter. Der Weg hoch nach Temang war ziemlich steil und dauerte ewig, es fing wieder an zu regnen oder auch zu schneien, denn wir waren quasi genau an der Schneegrenze angekommen. Wir alle sind in einem dieser Lodges angekommen und haben total gefroren. Die Kälte war kaum auszuhalten, man bewegt sich den ganzen Tag über, bekommt die Kälte kaum mit aber dann kommt man in einer Hütte an die nicht isoliert ist, wo es dann richtig anfängt zu frieren. Der Besitzer der Hütte hatte uns ein ‚tragbares‘ Feuer für zwei Zimmer gegeben. Eveline und ich teilten uns ein Zimmer und die 3 Jungs waren in einem anderen Zimmer. Aber die hatten sich das Feuer geschnappt und mit in ihr Zimmer genommen, während Eveline und ich total gefroren haben (richtige Gentlemans!). Das war nicht nett. Also mussten Eveline und ich einen Weg finden uns anders wieder aufzuwärmen: Tanzen zu Trashpop Musik.

TAG 6

Temang – Chame:

Ein guter Tag. Er startete mit lästern über die Jungs (…), dann sind Eveline und ich alleine weitergezogen, die Jungs waren vor uns losgewandert. Wir stellten während unserer Wanderung zu zweit fest dass 1. wir mehr Geld sparen würden ohne die Männer, 2. wir können unser eigenes Tempo bestimmen, 3. wir können eigenes Essen bestellen (sonst haben wir immer das gleiche Essen für alle bestellt, weil es dann schneller zubereitet wurde).
Abends trafen wir die Jungs wieder, aber wir schliefen in unterschiedlichen Lodges.

TAG 7

Chame – Dhukur Pokhari:

Heute sollte einer der aufregendsten oder auch schlimmsten Tage meines Lebens werden. Mittlerweile blicke ich zurück und denke: Man was hab ich da nur gemacht. Aber dann denke ich auch: Wow, das hätte sich nicht jeder getraut. Also: Eveline und ich hatten uns überlegt wieder alleine unseren Weg bis nach Bhratang anzutreten. Doch dann erzählte uns einer der Jungs von dem Wetterbericht, den er gehört hatte: Zwei Tage Sonne und dann soll es ziemlich warm oben werden, d.h. der Schnee wird schmilzen, wir sollten es möglichst bald bis nach Upper Pisang schaffen. Um 12 Uhr mittags sind wir los (schlechte Zeit wegen Lawinengefahr, da die Mittagssonne den Schnee aufwärmt und ins Rutschen bringt), ich hatte extreme Kopfschmerzen und war etwas erkältet. Wir mussten uns wieder an das etwas schnellere Tempo der Jungs gewöhnen, was mir nicht einfach fiel. Wir schafften es bis zum nächsten Ort Bhratang. Es gab dort keinen Schlafplatz mehr, ein älterer Mann, der aus Pisang kam (er ist umgedreht und läuft den Weg zurück) sagte uns: „Kein Problem, lauft weiter und ihr trefft auf zwei Lawinen, die vor ein paar Tagen runtergekommen sind und die den Wanderweg versperren, ihr müsst da einfach drüberklettern.“ Okay, wir wollten uns von der Gefährlichkeit überzeugen und wanderten weiter. Wir betraten das erste mal ein Gebiet, das komplett von Schnee bedeckt war. Dann nach ca. 20 Minuten sahen wir die erste Lawine: ein riiiesen Berg von Schnee direkt vor uns, links ein steiler Abhang, an dessen Ende sich ein reißender Fluss befand. Wenn wir also über die Lawine steigen und abrutschen, landen wir gradewegs in dem Fluss. Eveline und Frej sagten sofort: „Nein, das machen wir nicht!“
Keys und Felix: „Fuck yes“. Ich: … Keine Ahnung, mit der Tendenz es doch irgendwie wagen zu wollen… Die Alternative wäre zwei Stunden zurück nach Chame zu laufen und alles abzubrechen. Nein. Also los ging es, langsam Fuß vor Fuß und mit Vertrauen in unsere selbstgemachten Bambus-Wanderstöcke schaffte es erst Keys, dann Felix, Frej, Eveline und auch ich. Was eine Aufregung…
Es war noch nicht vorbei. Wir liefen weiter und es fielen gigantische Gesteinsbrocken von Abhängen rechts von uns quasi direkt vor unsere Füße.
Also Mütze an, so nah wie möglich an der schützenden Steinwand laufen und diesmal ging es um Schnelligkeit. Nach ca. 30 Minuten sahen wir die andere, meterhohe Lawine, noch viel riesiger als die erste, aber man konnte nirgendwo abrutschen sondern wir mussten einfach über sie klettern. Am Himmel verdichteten sich die Wolken, es waren Schneewolken, dunkelgrau, schnell und unglaublich gruselig. Meine Gedanken waren nicht mehr bei der Lawine, sie galten nur noch den Wolken. Ich hatte ein klares Bild vor Augen: wenn es jetzt einen Schneesturm gibt sind wir dran, es sind noch mindestens 2 Stunden bis zum nächsten sicheren Ort, und wir müssen es bis dahin schaffen bevor es anfängt zu schneien. Der Schnee kann die Spuren der ohnehin wenigen Wanderern verdecken und wir würden orientierungslos durch den Wald irren. Ich hatte schon Schlagzeilen von der Zeitung in meinem Kopf: „5 Wanderer von Schneesturm überrascht und erfroren…….. “  Das brachte mir neue Kraft, ich hatte in meinem Leben noch nie so einen starken Willen und die Ausdauer, Schritt für Schritt weiter durch den schweren Schnee zu stapfen, weiter in die Höhe, mit dem Gedanken hoffentlich bald anzukommen. Irgendwann fing es auch an zu schneien, aber es war nicht so stark wie ich erwartet hatte. Nach guten 2 Stunden endlosen Wanderns durch den dichten Wald sahen wir Stommasten einige hunderte Meter weiter, ein Zeichen für ein Dorf. Endlich. Wir waren angekommen und konnten uns den wohlverdienten Chaitee bestellen.

TAG 8

Dhukur Pokhari:

Einen Tag Entspannung wollten wir uns schon nach dem letzten Tag gönnen. Also blieben wir in Dhukur Pokhari, ruhten uns aus, aßen, machten Musik, malten, fotografierten, bemalten uns gegenseitig mit Henna,… Zwischendurch kamen Wanderer in dem Dorf vorbei, die aufgrund der Wetterbedingungen, der Gefahr und fehlender Zeit sich für den Abstieg entschieden hatten. Sie sagten immer wieder: „Probiert erst garnicht weiterzugehen, ihr schafft das sowieso nicht“ (das hörten wir von Vielen). Manche Wanderer brachten uns aber neuen Mut: „Die Wanderwege sind zwar nicht gut prepariert aber ihr könnt es probieren, wenn ihr genug Zeit habt.“
Zeit war das Entscheidende. Die meißten Leute die den Circuit betreten müssen in ca. 2 Wochen durch sein, um ihren Flieger nicht zu verpassen, da sie meißtens nur ins Himalaya Gebiet gereist sind, um diese Wanderung zu machen. Wir hatten uns aber auf eine längere Wanderung eingestellt und hatten 20 Tage für die Runde eingerechnet.

Sätze die in der Gaststädte an der Wand hingen:

CONDUCT YOURSELF WELL.
SPEAK NICELY.
HAVE A KIND HEART.

TAG 9

Dhukur Pokhari – Upper Pisang:

Eveline und ich wollten weiter. Wir hatten unsere Kräfte wieder und wollten mit neuem Mut und neuer Energie weiter. Die Jungs hatten keine Lust mehr bzw. wollten sich noch einen Tag länger ausruhen (was für Weicheier!!).
Also sind wir beiden alleine weiter. Es war ein wunderschön sonniger Tag. Wir sind nur einen Ort weiter in ein Gasthaus „Hotel Himalayan“ wo wir die erste ‚dusche‘ seit einigen Tagen bekamen. Die Gastfamilie stellte uns einen Eimer mit heißem Wasser zur Verfügung, mit dem wir uns dann abduschen konnten. Auf der Höhe von über 3100m waren alle Wasserleitungen gefroren und es gab keinen Strom (seit mehreren Monaten war der Strom durch die heftigen Schneefälle ausgefallen). An diesem Abend passierte aber doch noch ein kleines Wunder – kurz bevor wir schlafen gehen wollten betätigte ich aus Gewohnheit den Lichtschalter und: DAS LICHT GING AN! Das kleine Dorf hatte wieder Strom und die Einwohner lagen sich weinend vor Freude in den Armen, ein wunderbarer Moment.

TAG 10

Upper Pisang – Humde:

Unser Plan für den Tag war relativ einfach, dachten wir. Doch wir hatten uns total mit der Entfernung verschätzt und nach ca. 6 Stunden wandern, 1000x im weichen Schnee ausrutschen und hinfallen, durch Wälder laufen, über wieder aufgetaute Bäche springen, mit komplett nassen Schuhen, erreichten wir Humde. Dort trafen wir auf einen komischen verrückten Deutschen, der sein Zelt draussen im Schnee aufgeschlagen hatte, total durchgeknallt der Typ. Nachts konnte es bis zu -10 Grad werden. Er kochte sich sein Essen selber obwohl er für grade mal 2-3€ ein großes Gericht serviert bekommen hätte. Diese deutsche Mentalität von ’sparen‘ traf mich im Himalaya wieder, die Einheimischen, die dort Gäste empfangen, brauchen dringend das Geld um zu überleben. Doch dieser Kerl dachte sich, er könne im Himalaya Geld sparen, indem er sein eigenes Essen kocht und mit Zelt unterwegs ist. Er hat es nicht bis zum Pass geschafft, zwei Tage später trafen wir ihn wieder als er gerade sein Zelt in Manang abbaute und den Rückweg antreten wollte.

TAG 11

Humde – Braka – Manang:

Wieder ein wunderschöner Tag ohne Stress, gefüllt mit der Kraft und der Schönheit der Natur, wir waren so glücklich da oben. Unsere Begleiter waren Eddie Vedder und alt-J, während wir Fuß vor Fuß durch den Schnee stapften. Dann trafen wir auch noch auf das süße Dorf Braka, wo wir Pause zum Mittagessen machten, Chaitee und Ingwertee tranken. Das „Hotel Buddha Peace Cafe & German (!!!) Bakery“ hat uns sehr gefallen und das Essen war auch super. Was so unglaublich ist, dass die Menschen auf diesen Höhenlagen, bei diesen Bedingungen immernoch richtig gut kochen können, egal wie wenig Zutaten sie haben, sie zaubern eine gute Mahlzeit.
Man sagte uns: „Wenn ihr es bis Manang schafft, könne man euch dort bessere Auskunft über die Zustände des Passes geben.“
Dann kamen wir in Manang an, an dem größten Ort im Annapurna Gebiet.
Unsere erste Frage: Ist der Pass offen? „JA, morgen werden Einheimische den Pass preparieren und dann können die ersten Wanderer übermorgen den Pass überqueren.“ Wir konnten unser Glück nicht fassen, perfektes Timing. In Manang hatten wir das erste Mal seit 10 Tagen auch wieder WLAN und was wir auf Facebook erfuhren, schockte uns erstmal: Keys, Frej und Felix, unsere Begleiter, sind den Rückweg angetreten und sind mittlerweile wieder in Pokhara angekommen. Was für Schisser, dachten wir uns nur… Vor allem waren die Jungs immer total euphorisch gewesen, sie wollten diesen Pass unbedingt schaffen. Tja…

TAG 12

Manang – Yak Kharka:

Immernoch waren wir aufgeregt, wir konnten es nicht fassen, dass wir einer der ersten Leute sind, die es seit dem letzten Unglück/Schneesturm im August 2014 bis über den Pass schaffen wollten. Den Abend zuvor hatten wir uns noch Spikes und einges an Ausrüstung gekauft, um etwas mehr vorbereitet zu sein.
Es ging vor Sonnenaufgang los. Der Aufstieg war heftig. Es ging von 3540m auf 4050m hoch. Mehr als +500m am Tag sollte man nicht zurücklegen, da sonst die Gefahr der Höhenkrankheit besteht. Zur Prävention dieser Krankheit aßen wir die Tage zuvor täglich Knoblauchgerichte bzw. auch mal rohen Knoblauch (…), da die Einheimischen auf diese Methode schwören. Außerdem hatten wir uns in Pokhara vorsichtshalber Diamox gekauft, Tabletten die die Krankheit mindern sollen bzw. auch als Prävention genommen werden können. Das taten wir, unwissend was es mit uns machen würde. Alle Wanderer, auf die wir jetzt noch trafen, waren entweder bei der englischen Army gewesen, Sportstudenten, Sportlehrer, Profiwanderer oder hatten sonst irgendeine Verbindung zum Ausdauersport. Dagegen waren Eveline und ich die unerfahrensten und unsportlichsten Menschen überhaupt, aber wir hatten den Willen und den Kopf es trotzdem schaffen zu wollen. Nachmittags erreichten wir Yak Kharka. Eine große Gruppe von ca. 30 Wanderern (mit Porter und Guides) aus unterschiedlichsten Ländern der Welt hatte sich zusammengeschlossen, um den Circuit zu meißtern. Wir tauschten uns mit ihnen über die anstehenden Tage aus und bekamen auch Tipps und Hinweise von den Einheimischen.

TAG 13

Yak Kharka – Thorang Phedi:

Wieder ein sehr anstrengender, langer und gefährlicher Aufstieg.
In Thorang Phedi trafen Eveline und ich auf zwei Frauen aus Israel. Wir wollten Geld zusammenlegen um dann einen Porter für den morgen anstehenden Aufsteig zum Pass zu bezahlen. Es sollte ein seeehr harter Tag werden und desto weniger Gewicht wir auf dem Rücken schleppen würden, desto ‚leichter‘ wird es. Der Porter nahm meinen Schlafsack und noch einige Kilos von den Israelis. Gleichzeitig war er unser Guide, weil wir 4 Frauen uns nicht an die große Gruppe hängen wollten. Es war einfach sicher mit so einem einheimischen Porter, an den wir uns immer wenden konnten, falls irgendwas passieren sollte. Um 7 Uhr sind wir schon ins Bett weil wir morgen um 2 Uhr morgens aufstehen mussten, um unseren Weg hoch zum Pass anzutreten. Ich konnte kaum einschlafen, vorlauter Sorge und Aufregung vor dem morgigen Tag.

TAG 14

Thorang Phedi – High Camp – Thorung La Pass – Charabu:

…der härteste Tag in meinem bisherigen Leben…

2:00: Wecker „Ain’t No Mountain High Enough“, anziehen, packen.
Frühstück- ich konnte vor Aufregung nichts essen, es war ja auch noch mitten in der Nacht…
4:00: die Wanderung geht los. Es war bestimmt -20 Grad kalt draussen, Stockdunkel, wir waren von oben bis untern eingepackt in Yak-Schals, Mützen, zwei paar Handschuhe, dicke Socken etc. und trotzdem: es war eisig. Der erste Anstieg war unglaublich krass: von 4450m auf 4850m in einer Stunde. Man kann sich die Steigung kaum vorstellen, wir konnten auch es auch nicht sehen wie steil es wirklich gradeaus hochging, aber es war gigantisch. Alle Wanderer hatten in der Dunkelheit ihre Kopflampen angeknipst und gaben alles, um den ersten Berg zu bezwingen. Die schneebedeckten Berge leuchteten in der Finsternis, ein magischer Moment. Ein Fuß vor den anderen, 10 Schitte, Pause. Luftholen. Und das immer wieder. Versuchen zu Atmen bei der dünnen Luft. Versuchen neue Kraft zu schöpfen. Meine Gedanken waren ständig bei meinen Eltern und meinem Bruder. Ich wollte es unbedingt schaffen, ich wollte ihnen erzählen, was ich da geschafft hatte. Ich war schon weit über meine Grenzen hinausgetreten. Diese Gedanken gaben mir Kraft. Nach ca. einer Stunde kamen wir in High Camp an, kurze Stärkung mit Chaitee.
„Bis zum Pass sind es noch ca. 4 Stunden“ sagte man uns. Toll.
Irgendwann ging die Sonne auf und wärmte unsere fast abgefrorenen Zehen auf. Sie gab uns eine unglaubliche Energie. Zwischendurch machten wir Pause und aßen unsere Granola-Riegel (wir hatten ungefähr 20 Riegel für jeden in Pokhara gekauft, als Snack für zwischendurch).
Irgendwann haben wir dann den Pass erreicht. Eveline und ich lagen uns für einen kurzen Moment weinend in den Armen.
WIR HABEN ES GESCHAFFT!!! 5416m, auf dem Dach der Welt.
Trotz der schlechten Bedingungen und dem Rat anderer Wanderer, den Pass nicht zu wagen, hatten wir es geschafft. Ohne die Jungs. Frauenpower total. Yes.

Der Absteig sollte aber noch die größte Herrausforderung des Tages werden:

Nach einem Tee auf dem Pass hatten wir vor auf 3800m herabzusteigen. Anfangs war es auch lustig, die riesen Schneeberge aufm Po runterzurutschen, aber irgenwann wurde selbst das mühsam, die Kräfte verließen uns, dunkle Wolken zogen auf und beunruhigten uns wieder. Unsere Schuhe waren komplett durchnässt und wir verloren die große Gruppe aus den Augen. Noch 3 Stunden bis zum nächsten Ort. 3 Stunden… Nach ein bis zwei Stunden kamen wir an einen Platz, an dem wir uns alle unwohl fühlten. Es war nur eine Art Tal, aber wir hatten das Gefühl: irgendwas stimmt hier nicht, wir hatten nicht das Gefühl, dass das der richtige Wanderweg war. Später haben wir von einem Porter erfahren, dass im August bei dem letzten Unglück dort die meißten Menschen gestorben sind. Das krasseste: Es liegen jetzt noch einige Leichen dort, weil sie noch nicht geborgen werden konnten…
Nach weiteren Stunden (ca. 4) erreichten wir den nächsten Ort, während des Abstiegs trafen wir auf 4 Deutsche, mit denen wir dann beschlossen uns im nächsten Ort eine Unterkunft zu suchen. Wir waren komplett erschöpft, ich sehnte mich nach meinem Bett und nach einer warmen dusche oder wenigstens einem warmen Ort, an dem man sich aufhalten kann. Ich fror die ganze Zeit und hatte schon rote Augen von dem Schnee (Schneeblindheit), meine und auch Evelines Nase war so gut wie abgefroren und wund, ebenso wie unsere Lippen, die aufgeplatzt waren… Es war einfach extrem und kaum auszuhalten. Aber wir waren sehr stolz auf uns, dass wir den Pass hinter uns gelassen haben.

TAG 15

Charabu – Muktinath:

Ausgeschlafen waren wir noch nicht, trotzdem machten wir uns früh auf den Weg nach Muktinath, da ein Schneesturm angekündigt war. Dort angekommen erwartete uns im coolsten Gasthaus „Hotel Bob Marley“ eine heiße Dusche!!! Wir waren alle wieder ziemlich happy und gut gelaunt.

TAG 16

Muktinath – Jomsom:

Ich hatte mich entschlossen. Ich wollte die Wanderung bis Jomsom zuendebringen und dann den letzten Weg nach Pokhara mit dem Bus fahren. Es war einiges passiert im Himalaya und ich sehnte mich nach Pokhara. Ich hatte noch etwas weniger als 5 Tage in Nepal und diese wollte ich noch mit Shoppen, Essen und Yoga verbringen. Mein Ziel hatte ich allemale erreicht: Die Verbundenheit mit der Natur, meine innere Kraft und Willensstärke erfahren und den Horizont durch neue Herrausforderungen und Erlebnise erweitern.
An diesem Tag waren wir schnell unterwegs. Wir kreuzten (schon wieder!) Lawinengebiete, machten Pause zum Mittagessen, trafen nette Einheimische und sahen, wie jeden Tag, unbeschreibliche Landschaften.
Abends aßen Eveline, die Deutschen und ich noch zusammen.

TAG 17

Jomsom – Pokhara:

Abschied von Eveline. Sie wollte die Wanderung erst in Pokhara beenden, da sie noch genug Zeit hatte. Abschied von den Deutschen. 6 Stunden Busfahrt. Gedanken zogen an mir vorbei. Musik die mich an die schweren Situationen erinnerte. Momente, die ich niemals vergessen werde. Freunde, die ich dort in den höchsten Gebiet der Welt kennengelernt habe. Menschen, die mich beeindurckt haben, die glücklich waren, auch wenn sie keine materiellen Dinge besaßen, Menschen die das Leben und ihre Mitmenschen lieben und schätzen, die teilen, auch wenn sie nichts haben. Gute Gespäche, die ich jetzt noch im Kopf habe. Fotos die ich jetzt noch angucken kann. Dieses Gefühl dort oben gewesen zu sein, an das ich immer zurück denken werde.

Danke, dass ich das erleben durfte.

One Comment

  • Theresa sagt:

    Namaste
    Wirklich großartig wie du es durchgezogen hast!
    Ich selbst war letztes Jahr für 2 Monate in Nepal, doch hatte leider nur Zeit für einen 5 Tagestrip – Poon Hill. Aber auch diese, im Vergleich, kurze Zeit war unglaublich. Die Situation mitten in der Nacht auf zu stehen und bei eisiger Kälte los zu wandern hatten wir auch- das Gefühl und der Anblick der Annapurnagipfel, auf die die ersten Sonnenstrahlen fielen, war atemberaubend.
    Auch dein Diary of Nepal Video holt bei mir alle Erinnerungen an dieses erstaunliche Land und seine Bewohner zurück.
    In meiner Zeit dort habe ich als Freiwillige in einer Schule gearbeitet (später noch zwei Monate als Freiwillige auf Bali) und bei einer Gastfamilie gelebt- Nepal hat es mir, wie dir auch, wirklich angetan. Tolle Bilder, wichtige ! Probleme angesprochen.
    Wirklich toller Blog!

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